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In einem Experteninterview mit Dipl.-Ing. Dr. techn. Michael Rathmair von JOANNEUM RESEARCH ROBOTICS haben wir erfahren, worauf bei der Risikobeurteilung eines Cobot-Schweißers zu achten ist. Die wichtigsten Punkte zum Thema Safe Welding haben wir im folgenden Beitrag für Sie zusammengefasst. 

Michael Rathmair

Sobald man einen Schweißbrenner auf einen Roboter aufschraubt, wird man laut Gesetz zum Maschinen-Hersteller. Diese Tatsache bringt natürlich einiges an Verantwortung in puncto Sicherheit mit sich. Denn es geht nicht nur um die Sicherheit des Cobots, sondern um die Schweißanwendung als Ganzes. Will ein Unternehmen also im Rahmen eines akkreditierten Prüfverfahrens ein CE-Zertifikat für eine Cobot-Schweißanlage vergeben, ist das Minimieren von Risiken im kollaborativen Arbeitsprozess absolut notwendig. Zwar sind einige Rahmenbedingungen nicht normativ, aber für ein CE-Zertifikat im Kollaborationsraum dennoch erforderlich. 

Auf jeden Fall ist die Risikobeurteilung laut der EU Maschinenrichtlinie Pflicht. Demnach muss man Gefährdungen bestmöglich vorab verhindern, um bei einem Unfall nicht haften zu müssen. Das bedeutet, sobald ein Risiko erkannt wurde, muss dieses behandelt und durch entsprechende Maßnahmen gebannt werden.

Risikobeurteilung leicht gemacht

Ziel einer Risikobeurteilung ist, den Menschen als Benutzer des Systems vor allen möglichen Gefahren zu schützen. Das betrifft in erster Linie den Schutz vor UV-Strahlung, Schweißrauch und möglichen Kollisionen mit dem Roboter.

Da Schweißrauch auf keinen Fall in die Atemwege gelangen soll, ist ein lokaler Rauchabzug verpflichtend. Bei den meisten Cobot-Schweißern ist dieser bereits integriert. Doch eine weitere Mindestanforderung bei der Risikobeurteilung ist die Verwendung eines geeigneten Sichtschutzes. Denn dieser schützt die Augen vor schädlichen UV-Strahlungen, die im Lichtbogen der Schweißanwendungen enthalten sind. 

In dieser Hinsicht deckt sich die Risikobeurteilung beim Cobot-Schweißen mit dem Hand-Schweißen. Im Fall einer Schweißzelle sind hier zum Beispiel farbige Schutzgläser oder ein Vorhang angebracht. Natürlich kann der Sichtschutz auch in der Ausrüstung inkludiert sein. Doch erzeugt eine Schweißerbrille mit Helm keinen angenehmen Tragekomfort und ist daher für betroffenes Fachpersonal nicht durchgehend zumutbar. 

Während die Gefahrenquellen im automatisierten Schweißprozess prinzipiell dieselben wie beim Handschweißen sind, gibt es im Fall vom Roboter-Schweißen dennoch einen gravierenden Unterschied. Denn im Unterschied zum Handschweißen kann der Mensch die Bewegungen des Roboters nicht immer intuitiv nachvollziehen. Beim Handschweißen hält man die Gefahr in der eigenen Hand und kann diese entsprechend seines Hausverstandes einschätzen. Doch mit einem Cobot kann es zu Kollisionen und infolgedessen zu Verletzungsgefahren kommen. Denn im Unterschied zu herkömmlichen Robotern bewegt sich ein Cobot - als kollaborierender Roboter - auch dann, wenn ein Mensch in der Nähe ist. 

In diesem Punkt ist daher eine Mensch-Maschinen-Schnittstelle von größter Bedeutung. Nur so kann die Roboter-Anlage dem Menschen mitteilen, welche nächsten Schritte eingeleitet werden. Ob das nun über eine Lampe, am Display oder durch Geräusche passiert, ist zweitrangig. Wenn diese Signale unzureichend vorhanden sind, kann es zu unvorhergesehenen Kontaktsituationen und infolgedessen zu Klemm- oder Quetschstellen kommen. 

Auch das Schweißgerät als solches ist in die Risikobeurteilung miteinzubeziehen. Dabei ist vor allem die Schweißspitze (Stickout) sicherheitstechnisch zu behandeln. Denn im Falle einer Kollision mit Spitzen kann es zu einer unerwartet hohen Druckbelastung kommen. Zwar ist die Norm umso strenger, je spitzer die Spitze ist, doch im Sinne der Beurteilung ist ein dünner Draht vergleichsweise harmlos. Denn dieser kann sich leicht verbiegen, wenn jemand die Hand im falschen Moment auf den Schweißtisch legt. Jedenfalls ist eine solche Möglichkeit entsprechend zu beurteilen und mit vorbeugenden Maßnahmen zu versehen. 

Zunächst ist hier das Thema Schutzausrüstung zu nennen. Diese ist aus sicherheitstechnischen Gründen verpflichtend und inkludiert auch robuste Handschuhe. Da Handschuhe jede Kontaktsituation mit dem Roboter entschärfen, ist Schweißen ohne Handschuhe generell nicht vorgesehen. Eine passende Ausrüstung ist für die Risikobeurteilung insofern relevant, als dass man die Risiken Hitze, Quetsch-Stelle und UV-Licht verbinden und niedrigschwelliger beurteilen kann. 

Zusätzlich dazu kann man das Risiko auch programmatisch eindämmen. Zum Beispiel, indem man die Schweißnadel von der Seite kommen lässt, sodass es bei einer ungewollten Kontaktsituation zu einer Streifung anstatt eines Einstichs kommt. Eine Geschwindigkeitsreduktion ist im Schweißprozess höchstens punktuell möglich, wenn man diesen in Kollaboration mit dem Roboter ausüben möchte. Schließlich müsste die Geschwindigkeit für eine Risikobeseitigung zu stark reduziert werden, wodurch es zum beinahe Stillstand der Anlage käme. Dies wiederum würde Probleme der Sensibilität und Effektivität mit sich bringen. 

Bewährt hat sich jedoch die sensorische Lösung. Mittels Laserscanner oder Lichtvorhang kann man dafür sorgen, dass sich der Roboter vor einer möglichen Kollision zu einem sicher bewerteten Stillstand kommt.

Generell ist es dabei ratsam, Not-Aus-Schalter für das Gesamtsystem zu implementieren. Mit einer umfassenden span-of-control” Betrachtung kann so im Ernstfall die gesamte Maschine inklusive Schweißgerät zum Halt gebracht werden. 

Intelligente Zukunftsmusik

Experten raten prinzipiell dazu, jegliche Sicherheitsbetrachtungen frühzeitig anzugehen. Schon in der Entwurfsphase sind mögliche Risiken zu beurteilen und entsprechend in allen Lebenszyklen der Anlage anhand der bestimmungsgemäßen Verwendung als auch der vorhersehbaren Fehlanwendung einer Schweißanlage zu berücksichtigen. 

Zum Beispiel könnte es zu vorhersehbaren Fehlanwendungen oder Manipulationen der Anlage kommen. Dies geschieht oft im Sinne einer verbesserten Produktivität und führt stattdessen zu neuen Risikosituationen.

Daher sollte der Leitsatz in der Konstruktion dahingehend lauten, dass „Die sicherste Bedienung einer Maschine zugleich auch die produktivste sein soll.” Dabei spielen uns die neuen Technologien übrigens sehr gut in die Karten: Digitale Zwillinge” etwa ermöglichen strukturiertes Testen von Anwendungsszenarien durch Simulation und virtuelle Inbetriebnahmeprozesse. 

Weiters lassen sich Prozesse auch durch lernende Algorithmen optimieren. Zugleich müssen allerdings auch normative Rahmenbedingungen eingehalten werden. Daher erforscht die technologische Innovation aktuell die Vereinbarkeit von adaptiver Prozessoptimierung mit dem Thema Sicherheit. Tatsächlich haben sich durch Weiterentwicklungen der Künstlichen Intelligenz viele neue Möglichkeiten aufgetan. Also bleiben Sie am Laufenden!

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